Ausbreitung des Coronavirus - Was wir wissen – und was nicht
Mareike Rehberg, 11:34 Uhr, SRF 4 News, 11:34 Uhr, 01.04.2020
Wie verbreitet sich das neuartige Coronavirus?Das Virus verteilt sich über Tröpfchen, die von einer infizierten Person ausgehustet und ausgeniest, seltener auch ausgeatmet werden. Atmet jemand anderes die Tröpfchen und damit die Viren ein, kann dies zu einer Ansteckung führen, je nach Virenmenge und Verfassung der Person. Auch Infizierte ohne Symptome können andere anstecken. Die Viren können auch indirekt zu einer neuen Person gelangen – via Oberflächen. Jemand, der eine mit Viren belastete Oberfläche anfasst und sich dann mit der ungewaschenen Hand ins Gesicht fasst, kann sich so ebenfalls anstecken. Die Viren überleben auf den Oberflächen mehrere Stunden (Papier, Karton, Kupfer) bis Tage (Plastik, diverse Metalle). Dem neuen Coronavirus gelingt zu Beginn eine starke Vermehrung im oberen Rachenbereich, anders als etwa bei der Sars-Pandemie von 2003. Eine Ansteckung geht dadurch wesentlich schneller. Im Moment gehen Forscher davon aus, dass jede infizierte Person durchschnittlich zwischen 2.4 und 3.3 Menschen ansteckt.
Wie gefährlich ist Sars-CoV-2?
Ein Grossteil der Infizierten hat der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge relativ milde oder keine Symptome (80 Prozent). Eine von sechs Personen erleidet einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf, etwa fünf Prozent erleiden einen kritischen oder sogar lebensgefährlichen Verlauf von Covid-19 mit Atemstillstand, septischem Schock oder Multiorganversagen.
Wegen der relativ hohen Infektionsrate breitet sich das Virus schnell aus. Und im Gegensatz zur saisonalen Grippe, die oft zum Vergleich herangezogen wird, fehlt bei Sars-CoV-2 die Immunantwort, die schnell und gut auf etwas reagiert, das schon bekannt ist. Dadurch können sich weite Teile der Weltbevölkerung anstecken, auch in mehreren Wellen, und die Pandemie kann viele Opfer fordern – auch wenn die Sterblichkeitsrate noch unklar ist (siehe nächste Frage). Ob die Anzahl der Corona-Infektionen im Sommer abflauen werde, lasse sich momentan weder bestätigen noch ausschliessen, sagt der Virologe Luka Cicin-Sain vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung gegenüber dem deutschen Sender WDR.
Wie hoch ist die Sterblichkeitsrate?
In jedem Land werden unterschiedlich viele Tests auf das Coronavirus durchgeführt und man weiss deshalb nicht, wie hoch die Dunkelziffer an Infizierten ist. Wie viele Infizierte es wirklich gibt, lässt sich laut dem Epidemiologen Marcel Salathé nur über serologische Tests herausfinden. Diese messen, ob jemand Antikörper gegen Sars-CoV-2 im Blut hat. Bei einer guten Stichprobe an Getesteten lasse sich so herausfinden, wie viele Menschen die Infektion bereits hinter sich haben, führt der Leiter des Digital Epidemiology Lab an der EPFL in einem Twitter-Thread zu Covid-19, Link öffnet in einem neuen Fenster aus. Und mit dieser Zahl lässt sich dann eine genauere Sterblichkeitsrate berechnen.
Momentan ist die Sterblichkeit von Land zu Land sehr verschieden – während sie in Deutschland bei unter einem Prozent liegt, beläuft sie sich in Italien auf über zehn Prozent. Dabei spielt die Altersstruktur der Länder eine Rolle, aber auch das Gesundheitssystem, die Anzahl der Tests und die Tatsache, dass Todesfälle mit einer gewissen Verzögerung auftreten. Der deutsche Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité rechnet am Ende mit einer Sterblichkeitsrate zwischen 0.3 und 0.7 Prozent. Zum Vergleich: Bei der saisonalen Grippe liegt die Sterblichkeit bei rund 0.1 Prozent.
Wie wichtig sind Tests?
Je mehr Menschen auf das Coronavirus getestet werden, desto weniger unterscheiden sich die bestätigten Fallzahlen und die Dunkelziffer an Infizierten – das wäre wichtig für die Beurteilung der Pandemie und auch für die Planung der Spitäler. Allerdings sind flächendeckende Massentests kaum möglich. Zum einen fehlen die Kapazitäten, zum anderen bedeutet der Test nur eine Momentaufnahme – ein negativ getesteter Mensch kann sich auch direkt nach dem Test anstecken. Man müsste also alle Menschen regelmässig testen, was logistisch unmöglich ist.
Getestet wird per Abstrich aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum mittels eines sogenannten PCR-Tests. In der Schweiz werden derzeit laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) vor allem Personen aus Risikogruppen mit Krankheitssymptomen getestet und Personen, bei denen sich Krankheitssymptome verstärken. SerologischeTests, die Antikörper im Blut feststellen und zeigen können, wie viele Menschen die Infektion bereits durchgemacht haben, sollen bald in einem schweizweiten Projekt zum Einsatz kommen.
Wie viele Menschen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf?
Ältere Menschen und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, chronischen Lungenkrankheiten, Immunschwäche oder Krebs haben ein höheres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken.
Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium Obsan, Link öffnet in einem neuen Fenster hat nun erstmals geschätzt, wie viele Menschen ab 15 Jahren ein erhöhtes Risiko haben. Danach leiden knapp 30 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung unter mindestens einer risikobehafteten Vorerkrankung. Berücksichtige man zusätzlich die 65-Jährigen und älteren Personen ohne Risiko-Vorerkrankung und die Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen, ergäben sich insgesamt 2.6 Millionen Personen, die der Risikogruppe zugeordnet werden und daher besonders vorsichtig sein müssen.
Allerdings sehen Fachgesellschaften die Definition des BAG kritisch. Die Schweizerische Hypertonie-Gesellschaft (SHG) betrachtet Bluthochdruck-Patienten nicht als besonders gefährdet. Und die Schweizerische Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED) betont: «Es gibt keine wissenschaftlichen Daten, dass Covid-19 Patienten mit Diabetes mellitus mehr trifft als den Rest der Bevölkerung.»
Woher weiss ich, dass ich infiziert bin?
Die Symptome bei Covid-19 reichen von milden Erkältungssymptomen, trockenem Husten, Fieber, Hals- und Kopfweh oder Muskel- und Gliederschmerzen bis hin zu schweren Lungenentzündungen. Einige Infektionen verlaufen symptomlos. Gewissheit bietet nur ein Test, der aber (siehe: Wie wichtig sind Tests?) nicht flächendeckend durchgeführt wird.
Wie schütze ich mich und andere am besten vor der Ansteckung?
Man hält sich an die Empfehlungen des BAG: Generell zu Hause bleiben und nur in begründbaren Ausnahmefällen das Haus verlassen. Konsequente Einhaltung der Hygiene-Regeln: Häufig und gründlich die Hände waschen oder desinfizieren, sich nicht ins Gesicht fassen, niemandem die Hand geben, in ein Taschentuch oder die Armbeuge husten oder niesen, Abstand zu anderen Menschen halten, vor einem Arztbesuch telefonisch anmelden. Bei bestätigter Infektion oder als Verdachtsfall oder wenn man Kontakt zu einer erkrankten Person hatte, soll man sich in Selbst-Isolation bzw. Selbst-Quarantäne begeben.
Wie sinnvoll ist das Tragen von Masken?
Es gibt verschiedene Arten von Masken. Sehr dünne Papiermasken haben kaum eine Schutzwirkung. Der Mund-Nasen-Schutz (MNS), auch OP-Maske oder chirurgische Maske genannt, kann hingegen sinnvoll sein. Er besteht aus einer Filterschicht, die zwischen zwei Stoffschichten eingebettet ist, und verhindert vor allem, dass Speicheltropfen des Trägers in die Umgebung gelangen. Weil der MNS nicht eng anliegt, schützt er aber nicht den Träger vor einer Infektion, sondern verringert das Risiko, eine andere Person durch Husten oder Niesen anzustecken.
Wichtig ist, dass die OP-Maske gut sitzt und regelmässig gewechselt wird, wenn sie von Atemluft durchfeuchtet ist. Ein negativer Nebeneffekt kann sein, dass man sich selbst mit einer OP-Maske in falscher Sicherheit wiegt und andere Hygieneregeln wie das Händewaschen, das Abstandhalten oder Nicht-ins-Gesicht-Fassen vernachlässigt.
Neben dem MNS gibt es die FFP-Masken, die sogenannten partikelfiltrierenden Halbmasken. Masken ab der Klasse FFP2 schützen den Träger vor Viren. Diese Masken sollten aber gemäss BAG reserviert sein für Menschen, die sie wirklich brauchen: nämlich Pflegepersonal und medizinisches Personal bei der Spitex, in Pflegeheimen, Spitälern und in Arztpraxen. Der Bund hat zwar momentan genügend Masken auf Lager, der Verbrauch im professionellen Bereich ist aber derzeit auch sehr hoch.
Wann kann man mit einer Therapie oder einem Impfstoff rechnen?
Die derzeitige Therapie beschränkt sich auf die Linderung der Symptome. Mit einer Impfung rechnen die meisten Experten frühestens im nächsten Jahr. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprach von einem «frühestmöglichen Einsatz in 18 Monaten».
Viele Unternehmen und Institute versuchen derzeit, neuartige Impfstoffe zu entwickeln. Normalerweise dauert es von der Entwicklung über die Testung bis hin zur Produktion eines Impfstoffes mehrere Jahre. Angesichts der derzeitigen Lage haben die WHO und andere internationale Organisationen aber ihre Genehmigungen für Studien beschleunigt.
Mareike Rehberg, 11:34 Uhr, SRF 4 News, 11:34 Uhr, 01.04.2020
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