Nicht jeder Antikörpertest gibt Gewissheit

Nicht jeder Antikörpertest gibt Gewissheit

Einige Arztpraxen bieten jetzt Bluttests an, die Aufschluss über eine zurückliegende Sars-CoV-2-Infektion geben sollen. Die Qualität einiger Tests lässt zu wünschen übrig, andere scheinen sich aber zu bewähren.


Im Blut der Patienten wird nach Antikörpern gegen Sars-CoV-2 gesucht.

Narendra Shrestha / EPA

Wer vor ein paar Wochen Fieber oder Husten hatte, denkt oder hofft, dass es eine Sars-CoV-2-Infektion war, denn dann wäre die Krankheit schon überwunden. Weil es nicht genügend Tests gab, konnten sich viele damals nicht testen lassen. Das können sie aber nachholen, denn Arztpraxen bieten jetzt Antikörpertests an. Diese zeigen, ob eine Person die Krankheit überstanden hat und Antikörper gegen die Viren entwickelt hat. Anders als beim Virustest, für den ein Rachenabstrich genügt, muss dafür eine Blutprobe genommen werden, deshalb werden die Tests auch als Bluttest bezeichnet.

Derzeit sind viele verschiedene Antikörpertests im Angebot. Aber nicht alle sind für diese Zwecke geeignet. Forscher um Manuel Döhla und Hendrik Streeck von der Universität Bonn untersuchten einen Antikörper-Schnelltest, der ähnlich wie ein Schwangerschaftstest

funktioniert und innerhalb von 20 Minuten ein Ergebnis liefert. Zur Enttäuschung der Forscher war die Treffsicherheit aber viel schlechter, als die Firma angegeben hatte.

Die Forscher testeten nicht das Blut von schwerkranken Patienten, wie es die Firmen bei der Evaluation der Tests meist tun, sondern dasjenige von 49 Menschen aus der Bevölkerung. Manche von ihnen waren gesund, 22 hatten sich mit dem Virus infiziert – wie ein Virustest bestätigt hatte –, viele von ihnen hatten aber nur leichte Symptome. Doch der Antikörpertest fiel nur bei 36 Prozent der Infizierten positiv aus. Und nur bei 89 Prozent der Nichtinfizierten war er negativ. Für eine genaue Bestimmung der Treffsicherheit hätten die Forscher zwar eine grössere Gruppe untersuchen müssen. Aber dass der Test für diese Anwendung nicht sinnvoll sei, sei damit trotzdem klar, sagt Döhla.

Etwas besser fällt das Urteil einer dänischen Studie aus, die neun andere Antikörpertests verglichen hat. Darunter waren drei sogenannte Elisa-Tests, die nur im Labor ausgewertet werden können, und sechs Schnelltests, die keine spezielle Apparatur zur Auswertung benötigen. Weil die Studie noch nicht abschliessend publiziert wurde, sind die Ergebnisse allerdings noch mit Vorsicht zu geniessen. Aber ein Elisa-Test aus China erzielte ziemlich gute Ergebnisse: eine Sensitivität von 93 Prozent – so viele positive Proben waren also richtig erkannt – und eine Spezifität von 100 Prozent – alle negativen Proben waren richtig erkannt. Drei der Schnelltests schnitten ähnlich ab.

Der schlechteste Elisa-Test erzielte dagegen eine Sensitivität von 67 Prozent und eine Spezifität von 96 Prozent. Das bedeutet, dass damit

33 von 100 Infizierten ein falsches Ergebnis erhalten und 4 von 100 Nichtinfizierten fälschlicherweise ein positives Ergebnis. Die Qualität der Tests ist demnach sehr unterschiedlich.

Weil noch viele Fragen hinsichtlich der Qualität der Tests offen seien, sei die Verwendung ausserhalb von Studien nicht sicher, schreibt die FMH, die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, auf Anfrage. Einige Ärzte mahnen auch, dass ein positives Ergebnis nicht so interpretiert werden kann, dass die betroffene Person dann alle Vorsichtsmassnahmen über Bord werfen kann. Zwar spricht vieles dafür, dass die Genesenen nachher immun gegen eine erneute Ansteckung sind, aber es gibt noch keine Studien, die dies eingehend untersucht haben.

Mit Unterstützung des Bundesamts für Gesundheit lanciert ein Netzwerk aus zwölf Schweizer Hochschulen derzeit eine epidemiologische Studie, in der unter anderem die Frage der Immunität untersucht wird und Antikörpertests validiert werden. Dazu sollen bis Oktober 2020 zeitlich gestaffelt rund 65 000 Personen auf Antikörper getestet und untersucht werden. Bis die Ergebnisse bekannt werden, müssen die Labors ihre Antikörpertests selbst validieren.

Und das tun manche von ihnen auch gewissenhaft. In einem Labor in Zürich werden alle Proben standardmässig mit zwei verschiedenen Antikörpertests untersucht. Verrechnet wird dabei nur ein Test. Der zweite, ein Schnelltest, dient als interne Kontrolle. Falle ein Test positiv aus, werde er zusätzlich noch an die Virologie der Universität Zürich

geschickt, die noch einen anderen Antikörpertest verwende, erzählt die Geschäftsleiterin. Bis jetzt habe man eine hohe Übereinstimmung bei den Tests beobachtet. Selten komme es zu Kreuzreaktionen, bei denen der Test auf spezifische Antikörper gegen andere Krankheitserreger reagiere, aber das jeweils nur bei einem Test.

In einer Arztpraxis in Luzern hält man es dagegen für übertrieben, standardmässig zwei Antikörpertests durchzuführen. Nur wenn ein positives Ergebnis vorliegt, wird den Patienten empfohlen, noch einen anderen Test durchführen zu lassen. Was die Frage zur Immunität angeht, erklären die Ärzte ihren Patienten, dass sie bei einem zweifach positiven Testergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit in der jetzigen Welle immun für eine zweite Infektion seien.

Der Arzt Phillip Katumba, der Leiter des Ärztezentrums Sihlmed in Zürich, hält fest, dass sich die Frage zur Immunität nicht nur beim Antikörpertest stellt, sondern auch, wenn man schon während der Erkrankung einen Virustest macht. «Für viele Patienten ist es trotzdem wichtig zu wissen, ob sie infiziert waren», sagt er. Der Antikörpertest gebe ihnen die gleiche Gewissheit, die diejenigen haben, die sich während einer Erkrankung testen liessen.

Katumba weist zudem darauf hin, dass auch der klassische Virustest falsche Ergebnisse liefern kann. Es komme immer wieder vor, dass Patienten an Covid-19 erkrankt seien, doch der Virustest sei negativ. Das geschieht besonders dann, wenn sich Patienten erst im späteren Krankheitsverlauf testen lassen – ein oder zwei Wochen nachdem die ersten Symptome aufgetreten sind. Bei manchen Patienten ist das

Virus dann nur noch in der Lunge zu finden. Im Rachenabstrich kann es dagegen nicht mehr nachgewiesen werden. Dann kann der Antikörpertest Klarheit geben. Seit knapp zwei Wochen bietet das Sihlmedzentrum diese Tests nun an. Dabei werden alle Proben auch mit mindestens zwei verschiedenen Antikörpertests untersucht.

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Lesen Sie den vollständigen Artikel der NZZ vom 23.04.2020